Terrence Malick: The Tree of Life

Vor einigen Tagen habe ich den Film „The Tree of Life“ von Terrence Malick gesehen. In Hollywood ist er einer der mysteriösesten und gleichzeitig faszinierendsten Filmemacher. Seine Herangehensweise Filme zu machen ist einzigartig und bricht so ziemlich alle Regeln, die es im klassischen Film gibt. August Dhiel, ein Schauspieler, der in Malicks neustem Film „ein verborgenes Leben“, den Protagonisten Franz Jägerstätter spielt, sagte in einem Interview:

„Die Takes hatten eine Durchschnittsdauer von 28 Minuten, als Schauspieler kann man 10 Minuten was machen und denkt: ‚Das ist interessant. ’ Dann aber fällt man in ein Loch und es wird alles langweilig. Irgendwann weiß man gar nicht mehr weiter, sitzt auf einer Bank und guckt ins Tal runter – und das ist unter Umständen genau der Moment, den er wollte.“

Malick versucht mit seiner Arbeit den wahren Kern eines Moments, einer Bewegung oder eines Menschen auf der Kamera festzuhalten. Nach all dem Machen und Denken eines Schauspielers, beginnt für Malick genau dann das Wahre oder Magische sich zu offenbaren, wenn sich jegliche Hoffnung an das Überragende, das Gute oder das Neue löst und sich dadurch das Licht des Moments zeigen kann. Genauso unvorhersehbar wie die Natur, sind auch seine Werke. „The Tree of Life“ folgt nicht wirklich der klassischen Struktur einer Geschichte, die sich in vielen anderen Filmen zeigt. Dennoch saß ich 2,5 Stunden wie gebannt vor meinen Laptop. Das ist selten. 

Der Film ist enorm bildgewaltig. Jedes Bild hat solch einen Sog und eine Schönheit, dass es schwierig ist seinen Blick davon abzuwenden. Es wird solch eine Nähe geschaffen, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, Teil des Films zu werden. Die Grenzen zwischen Zuschauer und Film verschwimmen und die Welt des Films wird körperlich spürbar. 

Die Natur ist ein wichtiger Bestandteil und spielt in dem Film eine sehr wichtige Rolle. Ob Wälder voller Bäume, das Grün des dörflichen Lebens, Schmetterlinge, die zufällig auf den Armen der Schauspielerin landen oder Aufnahmen des Himmels. Die Natur ist immer präsent. Sie strahlt eine Vertrautheit und Ruhe aus, die eng mit dem Kindlichen zusammenhängen, nämlich ständig in Bewegung zu sein und mit riesigen neugierigen Augen auf die Welt zu blicken. Menschen und Natur fließen wie Farben ineinander und zeigen eine tiefe Verbundenheit. Diese steht im Kontrast zur modernen Lebensweise, die durch das nachdenkliche Herumwandern des älter gewordenen Protagonisten durch große, kühle und leere Gebäude gezeigt wird. 

„The Tree of Life“ wurde wie viele seiner Filme nur mit natürlichem Licht gedreht. Dies ist unüblich. Normalerweise wird ein enormer technischer Aufwand betrieben, um bestimmte Lichtszenen darzustellen. Malick arbeitet lieber minimalistisch und versucht Technik am Set auf ein Minimum zu reduzieren. Seine Lichttechnik ist die Sonne und sein Schauspiel die Natur. 

Ein weiteres Stilmittel in seinen Filmen ist Bewegung. In „The Tree of Life“ gibt es fast keine einzige Aufnahme, in der die Kamera still steht. Die Kamera befindet sich ständig im Fluss der Zeit und bewegt sich mit den Schauspielern und mit der Natur. Sie folgt auf natürlicher Weise den Impulsen des Moments und illustriert damit, dass sich das Leben nie im Stillstand befindet. Alles ist in Bewegung. 

Malicks Filme sind meditative und spirituelle Erfahrungen, die existentielle Fragen stellen. Bevor Malick Filme gemacht hat, hat er in Harvard und Oxford Philosophie studiert und sich in seiner Doktorarbeit vor allem mit Martin Heidegger beschäftigt. In der Philosophie versucht man neugierig auf die Welt zu blicken und Antworten auf wichtige und oftmals existentielle Fragen zu finden. Das Medium dafür ist der Gedanke, der Dialog und der Text. Die Entwicklung Malicks von der Philosophie zum Film mag eine 180 Grad Wendung sein, kann jedoch auch eine durchaus passende Erweiterung sein. 

Malick hat nicht aufgehört Philosoph zu sein, sondern hat für sich in seiner Beschäftigung als Filmemacher sein philosophisches Bestreben erweitert und vertieft. Worte haben ihre Grenzen und diese Grenzen können durch Film oder andere künstlerische Medien erforscht werden. Viele Motive Heideggers sind in seinen Filmen aufzufinden. Malick hat mit „The Tree of Life“ die Tore der Worte geöffnet und uns in eine Welt eintauchen lassen, die den rein intellektuellen Rahmen sprengt und eher auf eine körperlich fühlbare Weise versucht, Fragen zu stellen.  

Mir fällt es schwer eine klare Empfehlung für den Film auszusprechen, weil ich das Gefühl habe, dass du den Film entweder hassen oder lieben wirst. Gerade deswegen würd ich sagen: Schau ihn dir an und schreib mir gerne, wie du ihn fandest. Bin gespannt auf deine Meinung!